Protagonist*innen

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Erzählungen von sieben Protagonist*innen. Wer sind sie? Was verschlug sie ins geteilte Berlin?

Luyanda Mpahlwa

Luyanda Mpahlwa (West-Berlin), geboren 1958, wächst in Mthatha in Transkei als Sohn eines Lehrers und einer Krankenschwester auf. 1978 beginnt er ein Architekturstudium in Durban und ist Teil einer Generation junger Studierender, die in ihrer politischen Haltung unmittelbar von dem Aufstand in Soweto beeinflusst sind. In Durban lernt er Personen im Umkreis des 1981 ermordeten Anwalts und ANC-Mitglieds (African National Congress) Griffith Mxenge kennen und wird schließlich auch im ANC aktiv. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten wird er im Dezember 1981 auf seinem Uni-Campus verhaftet und nach sechsmonatiger Folterhaft zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auf Robben Island verurteilt. Nach seiner Entlassung wendet sich Mpahlwa an Amnesty International, die ihm 1986 zur Flucht nach Deutschland verhelfen. Zwei Jahre wohnt er in Bochum, bevor er nach West-Berlin zieht. Dort lebt er in einem ehemals besetzten Haus und ist stark vernetzt in der südafrikanischen Community – in beiden Teilen der Stadt. An der Technischen Universität Berlin (TU) schließt er sein Architekturstudium ab und entwirft Anfang der 2000er Jahre unter anderem die südafrikanische Botschaft in Berlin. Heute lebt und arbeitet Mpahlwa in Kapstadt. 

Luyanda Mpahlwa im Interview mit Studierenden der HTW Berlin. © Thabo Thindi

Jeannette Selby (1931-2024)

Jeannette Selby (Ost-Berlin) wächst in Johannesburg auf und lernt ihren späteren Ehemann Arnold Selby auf einer sogenannten “mixed party” kennen. Da Selby auf Grundlage des Population Registration Acts als "coloured" und Arnold Selby als "weiß" kategorisiert werden, gilt ihre Beziehung unter dem Immorality Act als illegal. 1960 flieht Arnold Selby nach Botswana. Mit Hilfe der britischen Regierung können Jeannette Selby und ihre Tochter Südafrika ebenfalls verlassen. In Ghana heiratet das Paar und Jeannette Selby wird in der Textile Trade Union tätig. Nach Monaten im Exil in verschiedenen Ländern, die das Paar zeitweise auch getrennt verbringt, veranlasst die South African Communist Party im Spätsommer 1961 ihren Umzug nach Ost-Berlin – nur zwei Wochen nach dem Mauerbau. Die DDR-Regierung unterstützt das Paar bei ihren politischen Tätigkeiten und bringt sie an verschiedene Orte, um Reden zu halten und über den Anti-Apartheid-Kampf zu berichten. Ihre Vorträge finden in Schulen, Häusern des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und Ferienlagern statt. Zusätzlich arbeiten sie für die Zeitschrift Sechaba.

Jeannette Selby im Interview mit dem Filmemacher und Performancekünstler Thabo Thindi. © Thabo Thindi

Eric Singh (1932-2014)

Eric Singh (Ost-Berlin) kommt 1932 in Durban zur Welt. Nach seinem Abschluss arbeitet er in einer Textilfabrik, wo er später zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wird. Mit 19 Jahren schließt er sich dem Trade Union Movement und dem Liberation Movement an und wird Teil der Befreiungsbewegung in Südafrika. Unterstützt von Aktivist*innen wie Billy Nair nimmt er an Protesten teil und ist an der Vorbereitung des Volkskongresses von Kliptown 1955 beteiligt. 1964 wird Singh wegen seiner aktivistischen Untergrundarbeit verhaftet. Als er ein Jahr später aus der Einzelhaft entlassen wird, schickt ihn der ANC in die DDR. Dort absolviert er ein Studium an der Gewerkschaftshochschule Fritz Heckert in Bernau und übernimmt die Verantwortung für die Produktion des ANC-Magazins Sechaba. Seine Tätigkeiten in der DDR, einschließlich der Herstellung von Sechaba, tragen maßgeblich zur Solidarität gegen die Apartheid bei und führen ihn schließlich auch in die Bundesrepublik.

Eric Singh im Interview mit dem Filmemacher und Performancekünstler Thabo Thindi. © Thabo Thindi

Aletta Makena-Frenken

Aletta Makena-Frenken (West-Berlin) wird 1952 in Soweto, Johannesburg, geboren. Sie wird gemäß des Population Registration Acts als "coloured" eingestuft. Als junge Frau geht sie eine Beziehung zu einem als “weiß” kategorisierten Mann ein. Diese Beziehung gilt auf Basis des Immorality Act in Apartheid-Südafrika jedoch als illegal. Zu dieser Zeit arbeitet Makena-Frenken als Model und als erste Schwarze Beauty Consultant in einer Mall in Johannesburg, dem Carlton Center. Ihr Partner besucht sie dort häufig, woraufhin sie ein Kollege überwacht und schließlich bei der Polizei meldet. Makena-Frenken wird verhaftet und muss nach ihrer Freilassung schwören, ihren Partner nie wieder zu sehen. Es erfolgt eine erneute Verhaftung, als Makena-Frenken bereits schwanger ist. 1978 entscheidet sie sich im siebten Schwangerschaftsmonat zur Flucht, zunächst nach Österreich, wohin ihr Partner ihr vier Monate später folgt. Gemeinsam ziehen sie in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie 1982 heiraten. Makena-Frenken wohnt heute noch in Deutschland und kehrt nur für Besuche nach Südafrika zurück.

Aletta Makena-Franken im Interview mit dem Filmemacher und Performancekünstler Thabo Thindi. © Thabo Thindi

Arnold Isaacs

Arnold Isaacs (West-Berlin), 1938 geboren, wächst in Athlone, einem Teil von Kapstadt, auf den sogenannten "Cape Flats" auf. Seine Familie ist arm und seine Eltern legen großen Wert auf die Bildung ihres Sohnes. Bereits während seiner Schulzeit wird Isaacs politisch aktiv und entscheidet sich trotz der Herausforderungen für eine weiterführende Ausbildung. Er finanziert sein Studium durch Stipendien und mit der Unterstützung von Freund*innen. Während seiner Zeit an der Universität beteiligt er sich an politischen Aktivitäten gegen das Apartheid-Regime. Mitte der 1960er Jahre entscheidet er sich, aufgrund zunehmender Repressionen und zahlreicher Verhaftungen in seinem politisch aktiven Freundeskreis, Südafrika zu verlassen. 1969 gelingt es ihm schließlich, auf legalem Weg in die Niederlande zu emigrieren, wo er weiterhin für den ANC politisch aktiv ist. 1981 beginnt er für den Deutschen Entwicklungsdienst zu arbeiten und hält sich seitdem mehrmals im Jahr für längere Zeit in Berlin auf. Nach über 20 Jahren in Europa kehrt Isaacs zurück nach Südafrika. Als er dort jedoch keine Arbeit findet, zieht er 1994 nach Berlin, wo er heute noch lebt.

Arnold Isaacs im Interview mit dem Filmemacher und Performancekünstler Thabo Thindi. © Thabo Thindi

Sack Sturman (aka Bert Seraje)

Sacks Stuurman (Bert Seraje) (Ost-Berlin), 1960 geboren, verbringt seine Kindheit in Goodwood, einem Stadtteil von Kapstadt, bevor er und seine Familie nach Bishop Lavis umziehen. Seine ersten politischen Erfahrungen sammelt er bei seinen Aktivitäten in der Kirche und schließlich wird er 1982 für den ANC rekrutiert. Im Jahr 1985 wird er nach einem Kirchenkonzert verhaftet und flieht noch vor dem Gerichtsverfahren nach Lesotho. Nachdem er dort einige Monate in einem Haus des ANC verbracht hat, geht er schließlich in die sambische Hauptstadt Lusaka. Aufgrund von Verfolgung, ist er im Exil gezwungen, seinen Namen zu ändern. Nach verschiedenen Zwischenstationen und einer militärischen Ausbildung in Angola wird er nach Lusaka zurückberufen, um das Department of Religious Affairs zu vertreten (PMC, dem Para Military Council). Im Jahr 1988 flieht er nach Leipzig. Dort ist er hauptsächlich als politischer Berater und in der Kulturarbeit tätig. Er übernimmt zudem die Rolle des Sekretärs der ANC-Studierenden und des Vorsitzenden des ANC-Zweigs in Berlin.

Sack Sturman (Aka Bert Seraje) im Interview mit dem Filmemacher und Performancekünstler Thabo Thindi. © Thabo Thindi

Asaph Makote Mohlala

Asaph Makote Mohlala (Ost-Berlin), 1954 geboren, wächst im Alexandra Township in Johannesburg auf. Er ist in seiner Jugend nur wenig politisch aktiv. Als er jedoch erfährt, dass es Gruppen von jungen Menschen gibt, die Südafrika verlassen wollen, schließt er sich ihnen 1976 selbst an. Im Untergrund aktive Mitglieder des ANC bringen die Jugendlichen illegal über die Grenze, dann von Swasiland nach Maputo in Mosambik und später nach Tansania. Dort werden die Jugendlichen, darunter auch Mohlala, auf ein Militärtraining in der Sowjetunion vorbereitet. Die Kampfausbildung dauert ca. sieben Monate und wird vom Solidaritätskomitee der Sowjetunion unterstützt. Mohlala arbeitet in den folgenden Jahren unter anderem in Angola und Dänemark im Gesundheitssektor. 1984 beginnt er eine Ausbildung als medizinischer Assistent in der DDR, wo er seine Frau kennenlernt. 1988 verlässt er die DDR für einen Militärdienst in Angola, kehrt jedoch nach der Geburt seines ersten Kindes zu seiner Frau in die DDR zurück und lebt seitdem in Berlin.

Asaph Makote Mohlala im Interview mit dem Filmemacher und Performancekünstler Thabo Thindi. © Thabo Thindi